DAS MUSEUM FÜR UR- UND ORTSGESCHICHTE IM "QUADRAT BOTTROP"
IM VIERECK DER VIELFALT


Bild: Werner J. Hannappel
Mit seiner kubischen Architektur und seinem Namen bezieht sich das Museumszentrum auf den in Bottrop geborenen Künstler Josef Albers und dessen weltbekannte Farbstudien in Quadratform. Der 1888 als Handwerkersohn zur Welt gekommene Albers hatte schon in jungen Jahren seine Leidenschaft für die abstrakte Kunst entdeckt. Ab 1920 studierte und unterrichtete er am Bauhaus, der einflussreichsten Kunstschule der Moderne, die nacheinander in Weimar, Dessau und Berlin ansässig war. Als sie 1933 von den Nazis geschlossen wurde, nahm Albers die Stelle eines College-Dozenten in den USA an. Der Meister der abstrakten Gestaltung erwarb sich in der Neuen Welt so große Anerkennung, dass ihn das New Yorker Metropolitan Museum 1971 als ersten Künstler überhaupt schon zu Lebzeiten mit einer Retrospektive ehrte.
QUADRATUR DES MUSEUMS
Ein Jahr zuvor war Albers Ehrenbürger von Bottrop geworden, dem er damals zum Dank einige seiner Werke schenkte. In seiner Geburtsstadt ließ das den Gedanken an einen Museumsbau reifen, der der gleichen geometrischen Form huldigen sollte, mit der sich Albers in seiner Bildserie "Huldigung an das Quadrat" so oft beschäftigt hatte. Kurioserweise wäre das vom Bottroper Stadtbaumeister Bernhard Küppers entworfene und 1976 eröffnete Gebäude beinahe – zumindest im Volksmund – als Museum der Stadt "Glabotki" in die Geschichte eingegangen. Denn mit diesem Kunstwort bespöttelte man 1975 den politisch erzwungenen Zusammenschluss von Gladbeck, Bottrop und Kirchhellen zu einer neuen Großstadt. Erst eine erfolgreiche Klage Gladbecks beendete dieses verunglückte Kapitel der Kommunal-reform rechtzeitig genug, um das neue Bottroper Museum davor zu bewahren, von "Glabotki" mit verschluckt zu werden.


DER LÖWE VON BOTTROP
Das "Quadrat" war nicht das erste Museum im Stadtgarten. Schon 1961 hatte man in einer alten Bürgermeistervilla, die bis heute vor dem modernen Bau aufragt und im Innern längst direkt mit ihm verbunden ist, ein Heimatmuseum eröffnet. Sein Leiter Arno Heinrich war zwar keine internationale Berühmtheit wie Josef Albers, doch auch er hinterließ ein eindrucksvolles Lebenswerk. Vor allem trug er so viele bedeutende Funde aus der Eiszeit zusammen, dass von einem reinen Heimatmuseum bald gar keine Rede mehr sein konnte. Zusammen mit der Eröffnung des "Quadrats" wurde daher 1976 ein neues Museum für Ur- und Ortsgeschichte eingeweiht. Es nutzte zusätzlich zur Bürgermeistervilla die sogenannte Eiszeithalle des Neubaus, in der man heute neben einem riesigen Mammutskelett unter anderem auch die sensationelle Bottroper Fährtenplatte findet. Darauf sind neben anderen Tierfährten auch die Tatzenabdrücke eines eiszeitlichen Höhlenlöwen zu sehen, die 1992 beim Bau einer Kläranlage entdeckt wurden – die ersten Löwenspuren dieser Art in Europa.
In den vergangenen Jahren waren die Räume der Bürgermeistervilla für Besucher geschlossen, weil die dortige Ausstellung dringend einer zeitgemäßen Neukonzeption bedurfte. Das Ergebnis der grundlegenden Überarbeitung kann man seit dem Sommer 2014 in acht eindrucksvollen Abteilungen erleben, die sich mit prähistorischen Zeiten ebenso befassen wie mit der Entwicklung der Stadt Bottrop und der Geschichte des Museums selbst. Wichtig war es den Ausstellungsmachern, Exponate wo immer machbar nicht einfach nebeneinanderzustellen, sondern sie für die Besucher sinnvoll miteinander zu verknüpfen – mochten rein chronologisch zwischen manchen Themen auch Jahrmillionen liegen.
KUNST UND KREIDEZEIT
Unmöglich? Keineswegs, wenn man zum Beispiel die Erdzeitalter buchstäblich als Grundlagen des menschlichen Lebens und der menschlichen Arbeit begreift. Leicht nachvollziehbar ist das etwa im Fall des Karbonzeitalters, dessen Kohleflöze dem späteren Boom der Ruhrindustrie im wahrsten Sinne des Wortes den Boden bereiteten. Ähnliches gilt aber auch für die Mergelgesteine der Kreidezeit, die wichtige Grundstoffe für die Ziegelherstellung liefern: Ziegelsteine prägen das Bottroper Stadtbild bis heute, weshalb es kein Wunder ist, dass auch der hier aufgewachsene Josef Albers mit diesem Material experimentierte. Und so verschmelzen Erd, Orts- und Kunstgeschichte für die Besucher auf ebenso überraschende wie nachdrückliche Weise in einer Ziegelarbeit von Josef Albers.
Die Ausstellung führt im oberen Stockwerk zum "Tisch der Erinnerungen", auf dem unter anderem die eingangs erwähnte Schallplatte Jürgen von Mangers liegt. Vielleicht hätte man hier auch den Gästebucheintrag des Schauspielers und Regisseurs Maximilian Schell präsentieren sollen, der das Bottroper "Quadrat" für das schönste Museum der Welt hielt. Nicht zuletzt durch Maximilian Schells Begeisterung hatte sich 1979 Anni Albers, die Witwe von Josef Albers, dazu bewegen lassen, so viele Werke ihres Mannes nach Bottrop zu geben. Leider ist Maximilian Schell im Februar 2014 verstorben. Er könnte sich sonst davon überzeugen, dass das "Quadrat" inzwischen noch ein wenig schöner geworden ist.

SAMMELN ALS LEIDENSCHAFT – ARNO HEINRICH (1929–2009)
Ein leidenschaftlicher Sammler war auch der langjährige Leiter des Museums für Ur- und Ortsgeschichte, der 1929 in Stettin geborene Arno Heinrich. 1951 als Bergmann nach Bottrop gekommen, gehörte seine größte Leidenschaft den Bodenfunden und Fossilien. Nachdem Bottrop ihn 1957 zum Pfleger für kulturgeschichtliche Bodenaltertümer ernannt hatte, begann er, die geringen Schätze des Heimatmuseums auf spektakuläre Weise immer mehr zu erweitern. Bis zur Eröffnung des Museumszentrums "Quadrat" im Jahr 1976 entstand so eine der bedeutendsten Sammlungen vorgeschichtlicher und naturhistorischer Funde des Eiszeitalters in Deutschland. Heute umfasst sie mehr als 50.000 Objekte! Nach fast vier Jahrzehnten Museumsarbeit ging Arno Heinrich 1992 in den Ruhestand. 2009 starb der sammelnde und forschende Autodidakt, der nie studiert hatte, aber in der Fachwelt trotzdem einen ausgezeichneten Ruf genoss.

Stiftungstag im Quadrat


In der angenehmen Atmosphäre des architektonisch ansprechenden Museums stand der Stiftungstag unter dem Titel "Eine Chance für Natur, Heimat und Kultur". Die Nordrhein-Westfalen-Stiftung bot umfassende Informationen über ihre Aufgaben und Ziele und lud zu Fragen ein: Wen und was genau fördert die NRW-Stiftung? Wer entscheidet darüber? Welche Kriterien müssen Förderanträge erfüllen? Antworten gab es aus erster Hand: Der Präsident der NRW-Stiftung – Harry Kurt Voigtsberger – sowie Eckard Uhlenberg vom Stiftungsvorstand standen zusammen mit Mitarbeitern der Geschäftsstelle und Förderpartnern aus der Region für Auskünfte zur Verfügung. In Einzelgesprächen konnten sich Interessenten zudem über Fördermöglichkeiten beraten lassen.
Informationen zum Museum Quadrat: www.bottrop.de/mq/index.php
Stand der Angaben: Stiftungsmagazin 2014/2
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