KÜCHENSCHELLEN IN DER KALKEIFEL
FRÜHLING IN LILA


Bild: Wolfgang Schumacher
Der so genannte Vertragsnaturschutz macht es möglich. Durch die Wiederaufnahme althergebrachter Wirtschaftsformen – Hütehaltung mit genügsamen Schafen oder Mahd ohne Düngung – regenerierten sich die buntblumigen Kalkmagerrasen von Jahr zu Jahr. "Naturschutz durch Nutzung" lautet die Leitlinie, die diese artenreichen Lebensräume besser erhält als alle Appelle, Paragraphen oder Zäune zusammen. Denn nur der Appetit der Weidetiere sorgt für optimale Bedingungen der lichtbedürftigen Lebensgemeinschaften.


Bild: botanikfoto.com
Früh, aber nicht zu früh


Bild: Stiftung Rheinische Kulturlandschaft
Lila Blüten werden graue Wirrköpfe
Im Zentrum jeder Blüte sitzen zwischen 30 und 90 winziger Nüsschen. Nach dem Verwelken der Blütenkrone wachsen die fädigen Griffel dieser Früchtchen zu silbergrauen Federschweifen aus. "Im Meyen ist die Blum zu einem grauen haarichten runden Kopff worden, anzusehen wie ein Igel", so beschreibt ein 300 Jahre altes Kräuterbuch die Frucht. Vom Prinzip her ähneln sie dann entfernt einer Pusteblume. Doch während reife Pusteblumen aus zarten Fallschirmchen bestehen, die beim leisesten Windstoß davonschweben, passt zum Fruchtstand der Küchenschelle eher das Bild eines ergrauten Hippies. Es braucht schon mittlere Sturmböen, um eine Strähne aus dem wirren Schopf zu reißen. Manchmal bricht der Frucht stand auch als Ganzes ab und wird zum Spielball des Windes oder einzelne Samen haften am Fell vorbeistreifender Schafe. Zuerfolgreichen Fernreisen den werden die Früchte jedenfalls nur, wenn sich der Stängel bis zur Reife kräftig verlängert und die Samen deutlich über das Par terre der umgeben den Gräser liftet.

Der wissenschaftliche Gattungsname "Pulsatilla" klingt zwar uralt, ist aber eine neulateinische Wortschöpfung. Er bedeutet Glöckchen und bezieht sich auf die Form der Blüten. Der "Puls" im Namen Pulsatilla, den wir sonst als das regelmäßige Schlagen des Herzens kennen – hier ist er der Klang der Schelle. Hören kann man ihn freilich nur in der Fantasie.
Rätselhafter ist der deutsche Name "Küchenschelle", jedenfalls dessen erster Teil: Was hat unsere Pflanze mit der Küche zu tun? Zu den Küchenkräutern gehörte sie jedenfalls nie. Eine häufig zu lesende Deutung dehnt das Wort zu einem "Kühchen", leitet den Namen also von einer kleinen Kuh ab und erklärt die Blüte zu einer Kuhglocke. Sprachforscher bezweifeln das, denn das Wort Kühchen ist und war im Deutschen völlig unüblich. Ein Blick über den Tellerrand führt auf eine andere Spur: Im Alpenraum gibt es das alte Wort Kucke für eine Eischale, im Französischen coucon und coque genannt. Dort heißt die Küchenschelle coquelourde oder coquerelle. Im Kokon, der zart gesponnenen Hülle unfertiger Insekten, steckt die gleiche Wurzel. So ist die Küchenschelle wohl eher eine Kucken- oder Kokonschelle, also eine "Eierschalenglocke".
Stand der Angaben: Stiftungsmagazin 1/2013
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