GERNSDORFER WEIDEKÄMPE IM KREIS SIEGEN-WITTGENSTEIN
HEIMLICHES LEBEN UNTER DEM SCHNEE


Foto: Peter Fasel
Die meisten Gräser und krautigen Pflanzen, die im Sommer auf den Wiesen, in Kleinseggensümpfen und im Borstgrasrasen blühen, haben den Herbst über Stoffreserven in tief liegende Sprosse oder Knollen eingelagert. Nur ihre strohigen, oberirdischen Teile werden welk, sterben ab und bilden eine Isolierschicht für die am Erdboden schlummernden Knospen. Aus diesen regenerieren sich im nächsten Jahr neue Stängel, Blätter und Blüten. Es wäre übrigens ein Irrtum zu glauben, dass Pflanzen unter Schnee "frieren". Das Gegenteil ist der Fall: Der Boden kühlt in schneefreiem Gelände viel stärker aus als unter einer schützenden Schneedecke.
Neustart mit ererbter Energie
Neben den Stauden, die unterirdisch überwintern und viele Jahrzehnte alt werden können, gibt es kurzlebige Pflanzen, die "Einjährige" genannt werden. Sie sterben oft schon im Herbst ab. Wie ihr Name andeutet, durchlaufen sie ihre gesamte Entwicklung von der Keimung bis zur Samenreife innerhalb einer Vegetationsperiode. Sie überdauern nur als Samen. Als "Startkapital" für die Keimung enthalten Samen außer dem winzigen Embryo auch ein energiereiches Nährgewebe, mit dem sie ihre ersten Wurzeln und Blättchen aufbauen. Die energiereiche Mitgift macht Samen als Winternahrung für körnerfressende Vögel so attraktiv. Zu den Einjährigen gehören beispielsweise der Hohlzahn oder der Wiesen-Wachtelweizen.
Falter mit Frostschutzmittel


Foto: Michael Düben
Flucht und Tiefschlaf
Drei unterschiedliche Winterstrategien kann man bei den Wirbeltieren des Gebiets unterscheiden. Die erste lautet "Flucht" und ist den Gefiederten vorbehalten. Zugvögel wie Wiesenpieper, Neuntöter oder Wachtelkönig verlassen das Siegerland aber nicht, weil es ihnen im Winter zu kalt ist. Ihr Federkleid würde sie auch bei Minustemperaturen problemlos schützen. Einziger Grund, nach Süden zu entschwinden, ist der drohende Hungertod, denn als Insektenfresser würden sie auf den tief verschneiten Wiesen keine Nahrung finden. Dieses existenzielle Problem lösen Igel und Fledermaus, Grasfrosch, Erdkröte und Waldeidechse ganz anders. Sie gehören zum zweiten Strategietyp, den "Tiefschläfern", die in frostfreien Verstecken den Winter aussitzen. Indem sie ihre Körpertemperatur fast auf null senken, reduzieren sie auch ihren Energiebedarf. Nur Spitzmäuse können das nicht, jedenfalls nicht länger als wenige Stunden. So wechseln sie zwischen Tiefschlaf im Sparflammenmodus und Phasen wuseliger Aktivität, in denen sie im Gräserfilz unter dem Schnee nach Spinnen, Insektenlarven und Regenwürmern suchen. Wichtigster Detektor ist dabei die feine Nase.
Business as usual
Der dritte Typ wird von den übrigen Säugetieren und den im Gebiet ausharrenden Vögeln, zum Beispiel Krähen, Finken, Meisen und Spechten, repräsentiert. Deren Motto lautet "business as usual". Abgesehen von bescheidener Vorratshaltung suchen und finden sie ausreichend zu fressen. Auch Wühlmäuse bleiben geschäftig unter dem Schnee, für uns freilich unsichtbar. Wenn die weiße Pracht abtaut, wird das Netz ihrer regelmäßig benutzten "Mäuseautobahnen" um so deutlicher. Ihre Aktivität ermöglicht auch Beutegreifern wie Waldkauz und Fuchs das Überleben. Diese können mit ihrem ausgezeichneten Gehör ihre Beute durch die Schneedecke orten und zielsicher zupacken. Die heimischen Säugetiere leiden übrigens im Winter nur höchst selten unter Hunger oder Kälte. Ihr Stoffwechsel, ihr Haarkleid und ihr Verhalten haben sich in Jahrtausenden den hiesigen Verhältnissen angepasst.
Stand der Angaben: Stiftungsmagazin 3/2012
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