MUSEUM RELíGIO IN TELGTE
TREFFPUNKT DER RELIGIONEN


Foto: Andreas Lechtape/Relígio
Damals entstand außerdem die barocke Kapelle, in der das Gnadenbild noch heute steht und die alljährlich von rund 100.000 Pilgern besucht wird – Telgte ist nach wie vor einer der wichtigsten Wallfahrtsorte Deutschlands.
Wandel eines Museums


Foto: Lars Langemeier
Doch manchmal haben Erfolge auch ihre Kehrseite: Das einseitige Image als Krippenmuseum machte es immer schwieriger, das Publikum auch für andere Themen der religiösen Volkskunde zu interessieren. Nach der Neueröffnung im April 2012 setzt das Museum daher bewusst ganz neue Akzente. Krippen – vor allem die großen Sonderschauen zur Weihnachtszeit – werden zwar weiterhin zu sehen sein, im Vordergrund stehen nun aber vor allem religiöse Riten und religiöses Handeln. Dabei fi nden auch nicht christliche Glaubenswelten Berücksichtigung und laden die Besucher so zu spannenden Vergleichen ein.
Aktuelle Debatten wie die um die Beschneidungen in Judentum und Islam zeigen, dass eine fruchtbare Diskussion von Glaubensfragen vor allem eins voraussetzt: Wissen. Ein Besuch in Telgte kann da wichtige Anstöße geben, etwa am großen "Tisch der Religionen", der durch Multimedia-Darstellungen und ausgewählte Ausstellungsstücke ein buntes Mosaik religiöser Vielfalt lebendig werden lässt.
Anregungen bietet ebenso die Abteilung "Übergangsriten": Themen wie Taufe, Erwachsenwerden, Hochzeit und Tod werden hier aus der Perspektive unterschiedlicher Religionen behandelt. Am Ende wartet das Jenseits. Doch keine Angst: Im Telgter Relígio ist die Abteilung Jenseits mit sehr bequemen Liegesesseln ausgestattet – als Raum zum Innehalten und Schauen.
Der Kardinal und die Handtasche


Foto: Andreas Lechtape/Relígio
Der Löwe von Münster – so nennt man den Bischof und späteren Kardinal Clemens August Graf von Galen (1878 – 1946), der im Dritten Reich mehrfach mit Predigten gegen die Tötung sogenannten "lebensunwerten Lebens" und gegen die Willkür der Geheimen Staatspolizei hervortrat. Das Naziregime erwog sogar, den missliebigen Geistlichen gewaltsam zu beseitigen. Auch wenn Galen nicht immer politische Weitsicht bewies und beispielsweise Hitlers Angriff auf die Sowjetunion unkritisch betrachtete, hat er doch als Mahner gegen die Tötung Unschuldiger großen Ruhm erlangt. 2005 wurde er von Papst Benedikt XVI. seliggesprochen, seit 2006 befindet sich sogar eine Fingerreliquie des Kardinals in der Telgter Wallfahrtskapelle – jener Kapelle, die Galens oben erwähnter Ururururonkel im 17. Jahrhundert hatte erbauen lassen. Im Telgter Relígio findet man neben vielen anderen persönlichen Gegenständen auch Galens rote Kardinalsschuhe. Sie wurden 1946 von einem Ahlener Schuster angefertigt, der dazu als Rohmaterial eine Lederhandtasche seiner Frau verwendete.
Vom Hinduismus bis hin zum Kardinalsschuh – das "Relígio" schlägt einen weiten Bogen. Es blickt in die Welt, vergisst dabei aber seine lokale Verankerung nicht. War das "Treffen in Telgte" bei Günter Grass noch eine Zusammenkunft barocker Dichter, so versteht sich das neue Museum als Begegnungsstätte ganz anderer Art. Es ist ein Ort, an dem sich heute – so das hauseigene Motto – "Gott und die Welt treffen".

Schmachtlappen von unschätzbarem Wert


Foto: Andreas Lechtape/Relígio
Der aus dem Mittelalter stammende Brauch ist inzwischen vielerorts wieder neu belebt worden. Die Herstellung eines Hungertuchs stellt meist eine beträchtliche Herausforderung dar, da sein spezieller Zweck in der Regel eine erhebliche Größe erfordert. Das gilt auch für das riesige Telgter Hungertuch aus dem Jahr 1623, für das im Museum "Relígio" eigens ein neuer Anbau errichtet wurde und das sich hier von zwei Ebenen aus betrachten lässt. Auf zahlreichen quadratischen Feldern zeigt das in sogenannter "Filetstopfarbeit" ausgeführte Leinentuch unter anderem den Leidensweg Christi, aber auch alttestamentarische Szenen. An einer Monitorstation lassen sich im Museum die einzelnen Motive anklicken, um nähere Erläuterungen zu erhalten.
Stand der Angaben: Stiftungsmagazin 2012/Nr. 3
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