DER RÖMERKANAL-WANDERWEG
WANDERWEGE UND WUNDERWERKE


(Foto: Natalie Glatter)
"Wer unbedingt will, der soll ruhig die nutzlosen Pyramiden mit so zweckmäßigen Wunderwerken wie den Wasserleitungen vergleichen!" – Das schrieb vor fast zwei Jahrtausenden der Römer Sextus Julius Frontinus. Im Jahr 97 n. Chr. war er zum "curator aquarum" berufen worden, zum Aufseher über die Aquädukte der Stadt Rom. In einem Buch, das er darüber verfasst hat, finden sich nicht nur die oben zitierten bissigen Worte, sondern auch ausführliche Angaben zu Verwaltung und Technik römischer Wasserversorgungssysteme. Gut möglich, dass Frontinus auch mit dem Bau der Kölner Wasserleitung zu tun hatte. Denn der Offizier und spätere Konsul war von etwa 81 bis 84 n. Chr. Befehlshaber über Nieder-germanien – und ungefähr zu dieser Zeit entstand auch der Römerkanal.
Blütezeit am Rhein
Nachdem die Römer im Jahr 9 n. Chr. von den Germanen in der legendären Varusschlacht besiegt worden waren, gaben sie den Plan auf, ihren Machtbereich über den Rhein hinaus auszudehnen. Bis zur Rheingrenze entfaltete sich ihre Zivilisation jedoch in vollem Umfang. Lange Friedenszeiten begünstigten das, denn nach der Niederschlagung eines germanischen Aufstandes unter Führung der Bataver herrschte in Niedergermanien ab dem Jahr 70 n. Chr. fast 200 Jahre lang Frieden. Städte wie Köln oder die Colonia Ulpia Traiana nahe dem heutigen Xanten konnten sich so zu blühenden Zentren mit Tempeln, Märkten und großen Badehäusern entwickeln. Auch im eher dörflichen Hinterland lebte es sich gut römisch, wovon man sich heute bei einem Besuch des Römerthermen-Museums in Zülpich überzeugen kann.
An das Wasser stellten die Römer nicht nur wegen ihrer Thermen große Anforderungen, auch als reines und wohlschmeckendes Getränk war es ihnen viel Wert. Da der Rhein gehobene Ansprüche nicht erfüllen konnte, wurden erste Wasserleitungen für Köln schon um 30 n. Chr. erbaut. Sie führten zunächst nur bis in die nahen Vorgebirgszüge westlich der Stadt. Mit dem Aufblühen der "Colonia Claudia Ara Agrippinensium" (CCAA), wie Köln bei den Römern hieß, wuchsen aber die Bedürfnisse und man griff jetzt auf das kalkhaltige, mineralreiche und geschmacklich hochwertige Eifelwasser zurück. Der technische Aufwand, um es zu erschließen, war außergewöhnlich – keineswegs alle römischen Städte hatten vergleichbare Versorgungssysteme. In Xanten etwa gab es nur niederrheinisches H2O vom wenige Kilometer entfernten Sonsbecker Berg und aus zahlreichen Brunnen.
Wasser abwärts marsch
Für das römische Köln zapfte man fünf Quellen in der Kalkeifel an. Das Wasser wurde in Brunnenstuben aufgefangen und von dort in das Kanalsystem einge-speist. Bekanntester Quellpunkt ist der "Grüne Pütz" bei Nettersheim, wo auch der Römerkanalwanderweg inmitten einer idyllischen Landschaft beginnt. Wer hier steht, sollte sich für einen Moment vorstellen, der Kanal hätte einst als große Murmelbahn gedient: Eine hineingeworfene Kugel wäre theoretisch bis nach Köln gerollt, denn auf der gesamten Strecke herrschte leichtes Gefälle. Mit unglaublicher Präzision haben die römischen Ingenieure das Gelände vermes- sen. Ihr wichtigstes Hilfsmittel war der "Chorobat", eine Art überdimensionale Wasserwaage von sechs Metern Länge. Damit – so der Römerkanalexperte Professor Klaus Grewe – ließ sich auf langen Strecken sogar der Einfluss der Erdkrümmung aus den Messungen eliminieren.
Eine reine Gefälleleitung sollte offenbar für einen möglichst gleichmäßigen Wasserfluss sorgen. Technisch wären die Römer aber durchaus in der Lage gewesen, das kostbare Nass zumindest in Teilstrecken auch "bergauf" zu führen. Denn sie kannten das Prinzip der Druckleitung und wendeten es vor allem innerhalb von Städten in Form von Bleirohren an. Manch römischem Hausbe- sitzer stand daher sogar in der ersten Etage seines Anwesens fließendes Wasser zur Verfügung. Die tägliche Nutzungsdauer unterlag allerdings Beschränkungen und es konnten sich auch nur betuchte Hausherren einen privaten Wasseranschluss leisten, für den es Abgaben zu zahlen galt. Ärmere Zeit- genossen mussten sich mit den öffentlichen Entnahmestellen begnügen, die weniger luxuriös, dafür aber kostenlos waren. Übrigens hatte die CCAA nicht nur einen Zufluss, sondern auch teilweise mannshohe Abwasserkanäle, von denen unter dem Kölner Rathaus noch Reste zu sehen sind.
Zugunsten des Gefälles machte die Eifelwasserleitung große Umwege, sodass aus den etwa 50 Kilometern Luftlinie zwischen Nettersheim und Köln schließlich eine reale Strecke von 95 Kilometern wurde. Sogar die Wasserscheide zwischen Maas und Rhein musste überwunden werden. Trotzdem brauchten die römischen Bautrupps vermutlich weniger als fünf Jahre für das Riesenprojekt. Sie arbeiteten jeweils gleichzeitig an mehreren Teilabschnitten und mussten da, wo sie sich trafen, unwillkommene Aufwärtssprünge vermeiden. Abwärtsstufen waren unproblematisch, denn hier sorgten sogenannte "Tosbecken" für Abhilfe: Das Wasser toste hinein, sammelte und beruhigte sich dabei aber auch und floss schließlich über den Beckenrand hinweg gemächlich weiter. Die Verlangsamung begünstigte zugleich das Absetzen von Schwebstoffen.
Die Teufelsader
An insgesamt 53 Stellen sind heute noch Überreste und Rekonstruktionen des Römerkanals zu sehen. Besonders anschaulich werden viele Kniffe der antiken Ingenieure in der unterirdischen Brunnenstube nahe dem Ort Kallmuth, die man sich daher auf keinen Fall entgehen lassen sollte. Nebenbei kommen hier auch Krimifans auf ihre Kosten, denn in Kallmuth wurde in den vergangenen Jahren die erfolgreiche TV-Serie "Mord mit Aussicht" gedreht. Wenige Kilometer weiter stößt man in Mechernich-Vollem auf einen Miniatur-Aquädukt, der zur Überquerung eines Baches diente. Er hat eine Länge von sieben Metern, wurde bereits 1981 entdeckt, ist aber erst seit fünf Jahren für die Öffentlichkeit sichtbar. Korrekterweise müsste man hier übrigens von einer Aquäduktbrücke sprechen, denn das Wort Aquädukt allein bedeutet lediglich "Wasserleitung". Die berühmteste römische Aquäduktbrücke ist der fast 50 Meter hohe und 275 Meter lange Pont du Gard in Südfrankreich.
Eine im Prinzip vergleichbare Konstruktion, die mit immerhin fast 300 Bögen das Tal des Swistbaches überwand, dabei allerdings nur etwa zehn Meter hoch war, gehörte einst auch zum Römerkanal. Leider ist von dem Bauwerk, das im Mittelalter als Steinbruch genutzt wurde, nichts mehr zu sehen. Dafür wurden aber in Mechernich-Vussem zwei Bögen einer ebenfalls etwa zehn Meter hohen Aquäduktbrücke rekonstruiert, die eindrucksvoll daran erinnern, dass auch die Eifelwasserleitung ihre Hochbauten hatte. Ihr weitaus größter Teil verlief indes etwa einen Meter unterhalb der Erdoberfläche – schon allein aus Frostschutzgründen. Der unterirdische Verlauf inspirierte wohl auch den Spitznamen "Teufelsader". Er stammt aus einer Zeit, als sich die Menschen den geheimnisvollen Tunnel, dessen Zweck ihnen nicht mehr einleuchtete, offenbar nur durch teuflische Mächte erklären konnten. Der letzte Zuflusspunkt zum Römerkanal lag in Mechernich-Eiserfey, wo die NRW-Stiftung einen Schutzbau über der Ausgrabung finanziert hat. Von hier aus führte die Leitung dann mit einem Durchmesser von 0,7 x 1,35 Metern weiter bis nach Köln.
Neben dem Eiserfeyer Sammelbecken steht ein mächtiger Block aus Kalksinter. Ähnliche Kalkablagerungen verengten den Kanal im Laufe der Zeit immer mehr, haben ihn aber während seiner fast 200-jährigen Betriebszeit nie völlig verstopft, sodass erst die Germaneneinfälle für das Ende der "langen Leitung" sorgten. Dem Kalksinter stand seine Glanzzeit damals aber noch bevor, ließ er sich doch zu einem marmorartigen Werkstoff polieren. In der Aachener Pfalzkapelle Karls des Großen, in einigen Kölner Gotteshäusern und in der Kirche von Bad Münstereifel kann man Säulen und andere Objekte aus "Aquäduktmar- mor" sehen, der im Mittelalter aus dem Kanal herausgebrochen wurde. Auch das "Naturzentrum Eifel" in Nettersheim, das man unter anderem wegen seiner informativen Ausstellung über die Römerzeit nicht verpassen sollte, zeigt eine Grabplatte aus Sinterkalk.
Der eiserne Mann im Kottenforst
Der im Juni 2012 neu eingeweihte Römerkanal-Wanderweg führt auf insgesamt 116 Kilometern in sieben Tagesetappen (die sich natürlich auch abschnittsweise gehen lassen) durch Natur und Kultur. Viele Punkte wie etwa die Ruine Stolzenburg in der Gemeinde Kall bieten grandiose Ausblicke ins Land.
Aber es sind auch Abstecher zu wahrhaft unterirdischen Zielen möglich: In Dreimühlen bei Mechernich liegt die schon von den Neandertalern aufgesuchte Kakushöhle. Ein zeitgeschichtliches Denkmal ist hingegen der von 1964 bis 1993 betriebene, atombombensichere Bunker für die NRW-Landesregierung in Urft, der anders als die bekanntere Bunkeranlage der Bundesregierung an der Ahr noch im Originalzustand ist. Kloster Steinfeld, Schloss Wachendorf, die futuristische Bruder-Klaus-Kapelle oder die Barockschlösser in Brühl – es lässt sich nicht alles aufzählen, was es unterwegs zu entdecken gibt. Ein echtes Geheimnis darf natürlich nicht fehlen: Der "Eiserne Mann" ist ein eigenartiger Eisenpfahl, der mitten im Kottenforst einen Meter aus dem Boden ragt. Dass er aus dem späten Mittelalter stammt, weiß man, unklar bleibt jedoch, wozu er eigentlich diente. Aber vielleicht sind wir ja heutzutage auch nur genauso begriffsstutzig wie diejenigen, die den Römerkanal früher ein- mal für eine Teufelsader oder – noch schöner – für eine Weinleitung von Trier nach Köln hielten.
Die Etappen im Überblick:
Etappe 1: Von Nettersheim nach Kall-Dottel (15 Kilometer/4-5 Stunden)
Etappe 2: Von Kall-Dottel nach Mechernich Feyer-Mühle (16 Kilometer/4-5 Stunden)
Etappe 3: Von Mechernich Feyer Mühle nach Kreuzweingarten (13 Kilometer/3-4 Stunden)
Etappe 4: Von Kreuzweingarten nach Rheinbach (16 Kilometer/4-5 Stunden)
Etappe 5: Von Rheinbach nach Bornheim-Brenig (22 Kilometer/6-7 Stunden)
Etappe 6: Von Bornheim-Brenig nach Brühl (15 Kilometer/4-5 Stunden)
Etappe 7: Von Brühl nach Köln-Sülz (19 Kilometer/5-6 Stunden)

Die NRW-Stiftung und weitere Partner haben sich an der Neugestaltung des Römerkanal-Wanderwegs beteiligt. Neben einer neuen Wegeausschilderung und Infotafeln wurden ein Pocketguide, ein Wanderbuch und eine Internetseite gestaltet. Der neugestaltete Wanderweg konnte am 1. Juni 2012 eröffnet werden.
Stand der Angaben: Stiftungsmagazin 2/2012
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