SCHLOSS DRACHENBURG BEI KÖNIGSWINTER
INBEGRIFF DER RHEINROMANTIK IM SIEBENGEBIRGE
Der Naturpark Siebengebirge zählt zu den ältesten Naturschutzgebieten Deutschlands. Mitten in dieser Idylle ließ sich Stephan Sarter einen Wohntraum in opulenter Gründerzeitarchitektur erbauen. Dank einer damals neuen Bauweise waren die Arbeiten für den Prachtbau nach nur drei Jahren (1882-1884) abgeschlossen. So rasch das Schloss stand, so lang hat seine Wiederherrichtung gedauert. Im Frühjahr 1995 begannen die ersten Bauarbeiten für die umfassende Restaurierung des Ensembles von Schloss Drachenburg. Um die Spuren, die Kriegsbeschädigungen, unsachgemäße Reparaturen und die vielfältige Nutzung des Gebäudes hinterlassen hatten, zu beseitigen, waren viel Zeit und 31,5 Millionen Euro an Geldern des Landes NRW und der NRW-Stiftung notwendig.
Über ähnliche Mittel verfügte auch der Bauherr Stephan Sarter. Der Sohn eines Bonner Gastwirtes war nach einer Banklehre als Börsenmakler an der Pariser Börse zu Reichtum gekommen, insbesondere mit der Finanzierung des Suezkanals und als Berater der Rothschilds. Dem Geist der Zeit entsprechend wollte er seinen Reichtum auch zeigen. Er kaufte sich einen Adelstitel und gab als Baron Stephan Sarter das Traumschloss in Auftrag.
Außen wie innen ist das Schloss von einem Nebeneinander zahlreicher "Neostile" geprägt, früherer Stilepochen, die zeitgenössisch aktualisiert wurden. So wurden Stuckdecken im Renaissancestil mit barocken Möbeln im Schlafzimmer oder ein gotisches Netzgewölbe mit einer barocken Balustrade im Musiksaal kombiniert. Die zierliche Venusterrasse vor der Südfassade und der weitläufige Park scheinen Teil einer eleganten Schlossanlage zu sein, wohingegen die Ansicht von Norden mit dem mächtigen Turm an die Wehrhaftigkeit einer Burg erinnert. Mit seinem Stilmix ist Schloss Drachenburg ein Musterbeispiel für die Bauweise des Historismus (siehe untenstehenden Kasten).


Nach seinem Tod im Jahr 1902 wurde Schloss Drachenburg zu einer Art Luxushotel. Der Junggeselle Sarter hatte weder Testament noch Erben hinterlassen. So ersteigerte sein Neffe, der Jurist Jakob Biesenbach, das Anwesen und gestaltete es als "Sommerfrische" für wohlhabende Reisende. Auf dem Parkgelände ließ er Blockhäuser für die Unterbringung der Gäste errichten und das Schlossinnere der neuen Nutzung entsprechend anpassen. In späteren Jahren beherbergte das Schloss unter anderem ein katholisches Internat, wurde als Frauengenesungsheim genutzt, als Schule der Nationalsozialisten und als Ausbildungsstätte für Eisenbahner. Im Zweiten Weltkrieg und in der unmittelbaren Nachkriegszeit wurde das Gebäude schwer beschädigt und verfiel in der Folge zusehends. Die Genehmigung zum Abriss war bereits erteilt, als 1971 der Privatmann Paul Spinat, ein Liebhaber repräsentativer Wohnkultur, das Ensemble erwarb und es damit für die Nachzeit rettete.
Seit 1986 stehen Schloss Drachenburg und seine Parkanlagen unter Denkmalschutz. Dank der aufwändigen Renovierungsarbeiten der Nordrhein-Westfalen Stiftung in enger Kooperation mit dem Land NRW und der Stadt Königswinter ist heute von den großen Schäden nichts mehr zu sehen. Die Venusterrasse und der 36 Meter hohe Nordturm mit seiner Rundum-Aussicht sind jetzt ebenso wieder zu bewundern wie Nibelungenzimmer, Bibliothek oder Jagdzimmer.
Um das gründerzeitliche Baudenkmal zu erhalten und es öffentlich zugänglich zu machen, hatte die NRW-Stiftung 1989 das Schloss Drachenburg von seinem letzten Privatbesitzer gekauft und es dann an die Stadt Königswinter übertragen. Der Startschuss für die Instandsetzung fiel dann 1994, nachdem die NRW-Stiftung vorher ein umfangreiches Gutachten hatte erstellen lassen. Nachdem im ersten Bauabschnitt die Umfassungsmauern am Eselsweg und an der unteren Grundstücksgrenze saniert wurden, begannen 1997 die Arbeiten zur Instandsetzung des Hauptgebäudes. In den Jahren von 1997 bis 2000 wurde zudem die Vorburg restauriert und ausgebaut, die heute von der Stiftung Naturschutzgeschichte als Archiv, Forum und als Museum genutzt wird. Hierfür waren zusätzliche 4,5 Millionen Euro notwendig, die zum überwiegenden Teil aus Mitteln des Bonn-Berlin-Ausgleichs finanziert werden konnten.
Im Hauptgebäude begann nach Fertigstellung der imposanten Kunsthalle im Jahre 2004 die behutsame Restaurierung der Innenräume. Kuppel inklusive Treppenanlage wurden rekonstruiert, ebenso Aufzug und Aussichtsplattform. Im Frühjahr 2010 wurden diese Arbeiten an der Hauptburg dann endgültig abgeschlossen. Die Schlossräume sind jetzt mit historischen Möbeln eingerichtet, die das ursprüngliche Erscheinungsbild nahezu authentisch wiedergeben und dem Besucher einen Einblick in die gründerzeitliche Wohnkultur des späten 19. Jahrhunderts vermitteln.
Der neue Rundgang führt die Besucher gleich zu Beginn in eine Ausstellung im Erdgeschoss des Schlosses, wo sie sich ein Bild von der äußerst wechselvollen Geschichte des Schlosses und seiner immerhin elf Besitzern machen können. Auch die 16-jährige Bau- und Renovierungsphase, wird in der Ausstellung thematisiert. Auch während der Restaurierungsphase wurden die Räumlichkeiten der Burg so weit wie möglich für Besucher offen gehalten, um ihnen einen Einblick in die zwar langfristigen, aber auch spannenden Arbeiten für den Erhalt dieses einzigartigen Denkmals zu geben. Das einzige, was sich über all die Jahre nicht geändert hat, ist der Weg nach oben: Zu erreichen ist Schloss Drachenburg entweder über die historische Zahnradbahn, zu Fuß oder auf dem Rücken eines Esels.

Das Schloss Drachenburg gilt als Musterbeispiel für die Bauweise des Historismus. Dass es sich bei dem Begriff aber keineswegs nur um eine kunstgeschichtliche Stilrichtung handelt, darauf machte der Historiker Friedrich Meinecke bereits 1936 aufmerksam. Er beschreibt den Historismus als eine Geisteshaltung, die zwar im Einklang mit der Aufklärung steht, dabei aber die historischen Wurzeln für alle Zustände in der Gegenwart nicht ausblendet. Meinecke schreibt, dass der Stilmix des Historismus auch eine Art Sehnsucht nach einer eindeutigen und stilvollen Vergangenheit zum Ausdruck bringt, die letztlich den eigenen sozialen Status gegenüber einer oft als widersprüchlich empfundenen Gegenwart legitimieren sollte. Die Bestätigung aus der Vergangenheit ist das wichtigste Anliegen des Historismus.

175.000 Euro kann die Nordrhein-Westfalen-Stiftung für die Rekonstruktion von Buntglasfenstern auf Schloss Drachenburg in Königswinter zur Verfügung stellen. Die Mittel stammen aus einer Erbschaft, die die NRW-Stiftung jetzt von einem Engländer erhalten hat.
Stand der Angaben: Stiftungsmagazin 2015/2
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