GESCHICHTE DER MEDIZIN
GARANTIERT NICHT OHNE NEBENWIRKUNGEN
Nur hier können die Besucher diesen Schreibtisch bewundern, ihn berühren und an ihm Platz nehmen. Der Schreibtisch von Robert Koch ist das wohl bekannteste Exponat des 1988 gegründeten Museums. Bilder, Instrumente, Modelle, Möbel und Präparate bieten den Besuchern eine interessante Zeitreise durch die Geschichte der Medizin und des Gesundheitswesens. Eindrucksvoll, lehrreich, realistisch und manchmal auch kurios. In jedem Fall richtig lebendig. Die Zeitspanne reicht von der Antike über das Mittelalter bis hin zur Gegenwart, in die 1980er-Jahre.
Viele Bilder dokumentieren frühere Behandlungsmethoden – für uns heute fremdartig und oft auch grausam: Menschliche Köpfe werden über lodernde Flammen gehalten, um böse Geister zu betäuben – damals gab es noch keine Narkose. Sie wurde erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Mittel zur Betäubung eingesetzt. Und beim Anblick Furcht erregender Instrumente der damals eingesetzten "Zahnreißer" wird deutlich: Der Besuch beim Zahnarzt war eine ziemlich schmerzhafte Angelegenheit. Gleich nebenan stehen zwei Behandlungsstühle aus den Jahren 1925 und 1955. Bohrer, Spülbecken – alles kommt aus einer richtigen Zahnarztpraxis. Der Museumsgast nimmt Platz, er staunt nicht schlecht über den Zahnbohrer, der durch ein Fußpedal betrieben wird, ihm wird ein bisschen mulmig. Aber keine Angst, gebohrt wird hier garantiert nicht mehr.
Alte Röntgengeräte und eine Eiserne Lunge
Schubladen ziehen, sich hinter den Tresen stellen, Heilpflanzen fühlen und ihren Duft genießen – in der Apotheke wird der Besucher zum Drogisten, der Arzneimittel nach ärztlicher Anweisung noch von Hand zubereitet. Apropos Hand. Durch eine einfache Simulation kann man hier "live" erleben, wie ein Röntgengerät älteren Datums diagnostiziert, ob die Knochen in Ordnung sind. Der Anblick der eisernen Lunge allerdings schnürt vielen Besuchern schon ein wenig die Luft ab. Allein der Gedanke, in diesem massiven Gerät zu liegen, fördert ein leicht beklemmendes Gefühl. Menschen, deren Atemmuskulatur durch eine Kinderlähmung beeinträchtigt war, hatten jedoch keine Wahl. Sie wurden mit diesem System mechanisch beatmet und am Leben erhalten.


Heute ist das 1988 gegründete und stetig erweiterte Museum im norddeutschen Raum das einzige stadtgeschichtliche Museum mit medizinhistorischem Schwerpunkt. Regelmäßige Sonderausstellungen widmen sich verschiedenen Themenbereichen von der Entwicklung der Chirurgie über die "Entbindungskunst" bis hin zur Geschichte der Zahnmedizin.
Die medizinhistorische Zeitreise berührt. Die bleibt garantiert nicht ohne Nebenwirkungen, sie regt an zu Gesprächen, Gedanken und Gefühlen. "Wir zeigen etwas, das die Menschen sehr emotional betrifft", erläutert Dr. Rolf Westheider, Leiter des Stadtmuseums Gütersloh. Der Blick zurück schärft den Blick für die Gegenwart. "Wir zeigen, dass medizinische Behandlungsmethoden früher schmerzhaft und Eigenleistungen selbstverständlich waren", sagt Westheider. Der Blick zurück lehrt zugleich die gegenwärtigen Verhältnisse und das heute hoch entwickelte Gesundheitswesen zu schätzen. Er macht außerdem dankbar für medizinischen Fortschritt.
Das Stadtmuseum kooperiert oft mit anderen Museen, es stellt Leihgaben für medizinhistorische Projekte in Kliniken und Unternehmen zur Verfügung. Gern nimmt es auch gestiftete Exponate von Gütersloher Familien, Firmen, Ärzten und Krankenhäusern entgegen. "Die Zeugnisse von gestern können wir hier schon heute sichtbar machen", weiß Rolf Westheider. "Der Blick zurück bietet die Möglichkeit zur Identifikation und Auseinandersetzung. Sich wiederfinden, das bedeutet, dem Besucher das historische Profil seiner Stadt und der Heimat nahebringen."

der Ukraine eingesetzt.
Wilhelm Angenete wird in früheren Zeitungsartikeln als "Hausarzt der alten Schule" beschrieben, als zurückhaltend, höflich und unermüdlich. Eng verbunden ist sein Name mit dem Gütersloher Turnverein, dem er 1978 ein Grundstück überließ, sowie mit dem Heimatverein, den er in seiner über 50-jährigen Mitgliedschaft tatkräftig begleiten konnte.

Anfang der 1980er-Jahre bekommt der Heimatverein Gütersloh eine neue Aufgabe. Eine Schenkung des Gütersloher Arztes Dr. Wilhelm Angenete und seiner Schwester Else soll den Grundstock für ein Museum bilden. Zur Schenkung gehört das Grundstück mit drei Gebäuden an der Kökerstraße 7–11: ein Fachwerkhaus, ein Backsteinhaus und das sogenannte Gartenhaus. Im Fachwerkhaus (um 1750) befand sich die erste preußische Volksschule, 1868 eröffnete dort die Kornhandlung Angenete & Wulfhorst. Das 1874 gebaute Backsteinhaus diente der Firmenerweiterung. Noch bis in die späten 1950er-Jahre belieferte das Unternehmen unter anderem die örtlichen Bäckereien.
Mit Geld aus Mitteln der Stadt und des Landes gelingt dem Heimatverein dann der finanzielle Start des Museums. Fortan ist der engagierte Verein Träger und Eigentümer des späteren Stadtmuseums. Die ungewohnten Aufgaben meistern die Mitglieder des Vereins mit hohem Einsatz und viel Herzblut für die Sache – ehrenamtlich versteht sich. "Es war schwierig, ein Konzept in Einklang mit den Gebäuden zu bringen", erinnern sich Renate Horsmann, 1. Vorsitzende des Heimatvereins, und Erik Brambrink, Geschäftsführer des Vereins. Doch auch das gelingt.


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