HEIDSCHNUCKENSCHÄFEREI BEI HÖVELHOF
SCHÄFCHEN ZÄHLEN ZUM WACHBLEIBEN


Wenn andere Berufstätige die Beine hochlegen dürfen, ist für Elena Schauerte, die neue Senne-Schäferin, noch lange nicht Feierabend. "In der Lammzeit müssen wir bis in die Nacht hinein immer wieder nach dem Rechten sehen, und morgens ab vier auch wieder, weil dann die meisten Jungtiere geboren werden." Die 33-jährige hat vor einem Jahr ihre Ausbildung zur "Tierwirtin, Schwerpunkt Schafhaltung" erfolgreich abgeschlossen und wurde anschließend übernommen – auf eine halbe Stelle. "Schäferin zu werden, das hab‘ ich mir schon als Kind gewünscht", berichtet Elena, "aber als ich mal mit einem Schäfer aus unserem Nachbarort darüber gesprochen habe, hat er gesagt: «Mädchen, biste verrückt geworden?»"
Elena ließ sich aber nicht verunsichern. Sie informierte sich umso gründlicher und wusste recht genau, was sie erwartete. Ob es in ihrer Familie Vorbilder gab? "Jedenfalls keine Schäfer, aber meine Eltern hatten einen Hof mit Milchkühen. Da bestimmen ja auch die Tiere den Tagesablauf, das kannte ich also."
Mit Umweg zum Traumberuf
Dennoch, als sie mit 16 die Schule abschloss, fehlte ihr zunächst der Mut, ihren Wunsch zu verfolgen, also lernte sie zunächst Kranken- schwester, arbeitete mehr als ein Jahrzehnt in diesem Beruf und macht das auch bis heute. Nach der Devise "und jetzt auch noch den Traumberuf ..." bewarb sie sich schließlich um den Ausbildungs- platz als Schäferin. Mit ihren beiden Arbeitgebern, der Biologischen Station Kreis Paderborn-Senne e. V. einerseits und einem Kranken- haus im Sauerland andererseits, hat Elena vereinbart, dass sie vier- zehntägig wechseln kann: "Zwei Wochen bin ich Schäferin in der Senne und zwei Wochen bin ich Krankenschwester". Ihre Altdeut- schen Hütehunde Nelda und Tanne kennen den Rhythmus längst. "Die kommen damit gut klar, aber man merkt schon, dass sie lieber mit den Schafen arbeiten als nur mal spazieren zu gehen."
Schon während der Ausbildung übte die junge Frau den Spagat: Berufsschule in Halle an der Saale, der Ausbildungsbetrieb in der Senne und das Elternhaus im Sauerland. "Manchmal war’s anstrengend, aber in der Rückschau absolut richtig, ich hab’s noch keinen Moment bereut". Besonders das Erleben der Jahreszeiten macht für sie den Reiz des Hütens aus, und auch nasskalte Tage können sie nicht schrecken: "Mit warmer Kleidung und einer Thermoskanne voll heißem Tee behalte ich immer gute Laune".
Auch Schafe finden Lämmchen süß


Mitläuferkurs für Mutter und Kind
Richtig aufregend wird es aber, wenn alle Tiere nach dem Ende der Lammzeit gemeinsam und ganztägig wieder draußen gehütet wer- den. Für alle Mutterschafe, die zum ersten Mal Lämmer haben, ist die Situation ungewohnt, die würden draußen einfach bei ihren Kleinen stehen bleiben, statt dem Schäfer zu folgen. Für die Lämmer ist sowieso alles neu. "In einer großen Herde zu laufen müssen wir vorher ein bisschen üben", erläutert Elenas Chefin Renate Regier. "Dafür lassen wir zweimal am Tag eine Gruppe von Schafen mit ihrem Nachwuchs aus dem Stall, führen sie anfangs draußen ums Gebäude und am anderen Stallende wieder herein. Zur Beloh- nung bekommen sie anschließend zu fressen. Die Mutterschafe lernen dieses Spielchen ganz schnell und laufen die Runde freiwillig, wenn wir nur das Tor aufmachen, und die Lämmer folgen ihnen. Jeden Tag kommen weitere Tiere dazu. Bis zum Laufen in der großen Herde ist es dann kein so großer Schritt mehr."

Jungbrunnen für die Heide
Der Heidschnuckenstall östlich von Hövelhof wurde 1990 im landschaftstypi- schen Stil von der NRW-Stiftung gebaut. Je nach Jahreszeit werden von hier aus etwa 1.000 Schafe betreut, die außer zur Lammzeit im Frühjahr ganzjährig draußen gehütet werden. Etwa ab Mai ist eine Beweidung der Heideflächen im Truppenübungsplatz Senne nur frühmorgens und abends möglich, denn tags- über herrscht dort militärischer Übungsbetrieb. In diesen Stunden bleibt die Herde in einem mobilen Pferch abseits der Schießbahnen.Die robusten und anspruchslosen Heidschnucken fressen am liebsten Besen- heide (Calluna vulgaris), den charakteristischen Zwergstrauch der Sandheiden. Das Beknabbern der Pflanzen fördert den Neuaustrieb, und in den Lücken, die die Schafe mit ihren Hufen treten, können die Samen der Heidepflanzen besser keimen als unter altem, verholztem Gestrüpp. Auf diese Weise werden die Heideflächen verjüngt und jeden Spätsommer entwickelt sich ein violettes Blütenmeer. Auch sorgen die Schnucken und etwa 20 Ziegen dafür, dass die Heide nicht mit Birken und anderen Gehölzen zuwächst. Die Heide ist also keine Naturlandschaft, sondern wird durch die traditionelle Nutzung erhalten. Überließe man sie sich selbst, würden die Zwergstäucher und Magerrasen durch Wald verdrängt, hunderte gefährdeter Tier- und Pflanzenarten würden ihren Lebensraum verlieren. Zu ihnen zählen Heidelerche, Nachtschwalbe und Feldgrille oder Pflanzen wie Sand-Segge, Silbergras und Heide-Nelke.
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